Abstracts und Biographien

Ulrike May: Sexualtriebe, Eros, Identifizierung – Re-Lecture von Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921)

Statt eines Abstracts die Fragen, die mein Vortrag beantworten soll: Warum nun Eros, warum nicht mehr Sexualtriebe? Ist das schon Freuds Abschied vom Sexuellen? Warum ist der Mensch kein soziales Wesen? Glaubt Freud an ein biologisches Fundament des Sozialen? Wie soll die Identifizierung theoretisiert werden? Was ist eine Identifizierung ohne sexuelles Interesse? Welche psychischen Prozesse liegen nach Freuds Auffassung der Identifizierung zugrunde? Warum kann die orale Einverleibung nicht mit einer Identifizierung gleichgesetzt werden? (Ulrike May)

 

Ulrike May: Studium der Psychologie und psychoanalytische Ausbildung in München (DPV, IPA). 1980 bis 1998 Praxis in München, 1999 bis 2020 Praxis in Berlin. Lehr- und Supervisionstätigkeit. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der psychoanalytischen Theorie und zur Praxis Freuds auf der Grundlage seiner bislang unbekannten Patientenkalender; siehe Bibliografie auf www.may-schroeter.de. Zuletzt u.a., zusammen mit Michael Schröter: Neu-Edition von Freuds Jenseits des Lustprinzips mit einer Erstveröffentlichung der Vorfassung dieses Texts von 1919 (May & Schröter 2013), Sammelband eigener Publikationen: Freud bei der Arbeit (Psychosozial-Verlag 2015). Demnächst: Der Abschied vom Primat des Sexuellen. Zur Geschichte der Psychoanalyse in Berlin und London zwischen 1920 und 1925 (Psychosozial-Verlag).

Sama Maani: Kunst, Identität und die Psychologie der Massen in der Digitalmoderne

Ausgehend von der Beobachtung, dass das Internet wie kein anderes Medium in der Lage ist, Massen zu mobilisieren, wird die Frage untersucht, inwiefern die in Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse entwickelten Thesen zur Analyse von aktuellen identitätspolitisch motivierten (und vorwiegend im Internet stattfindenden) Kunstdebatten beitragen können. Debatten, die durch ein hohes Maß an Affektivität und Unerbittlichkeit charakterisiert sind – und die Tendenz, abweichende Positionen zu dämonisieren.

In weiterer Folge wird die These vertreten, dass – über jene Kunstdebatten hinaus – immer absurdere gesellschaftliche und politische Diskurse immer banalere Gegendiskurse provozieren. Und der Frage nachgegangen, ob der Freud’sche Text zum besseren Verständnis auch dieser Phänomene beizutragen vermag.

 

Sama Maani, geboren in Graz, aufgewachsen in Österreich, Deutschland und dem Iran. Studium der Medizin in Wien und der Philosophie in Zürich. Ausbildung zum Psychiater und Psychoanalytiker. Lebt heute als Schriftsteller in Wien. Publikationen u.a.: Ungläubig (Roman, 2014), Respektverweigerung: Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht (Essayband, 2015), Der Heiligenscheinorgasmus und andere Erzählungen (2016), Teheran Wunderland (Roman, 2018), Warum wir Linke über den Islam nicht reden können (Essayband, 2019), Zizek in Teheran (Roman, 2021) und 2022 der Essayband Warum ich über den Islam nicht mehr rede. Schwierige Meinungen über Politik, Kunst, Literatur und Geschichte.

Responder/Moderation: Helmut Dahmer

Prof. Dr. Helmut Dahmer studierte Soziologie und Philosophie bei Helmuth Plessner, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. In den Jahren 1968-1992 redigierte er die psychoanalytische Monatszeitschrift Psyche. 1984 gehörte er zum Gründungsbeirat des Hamburger Instituts für Sozialforschung. 1974-2002 lehrte er Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Er gibt eine auf 10 Bände berechnete Auswahl-Ausgabe von Schriften Trotzkis heraus. Seit 2002 lebt er als freier Publizist in Wien.

Die Wahrheiten der Psychoanalyse: Den Lügen der Psychologie trotzen, die die Anhäufung von Individuen fördern

(Vortrag auf Englisch)

1984 wurde der Macintosh von Apple mit einem Verweis auf Orwells Roman auf den Markt gebracht: Der „persönliche“ Computer würde der Massifizierung und Tyrannei trotzen. Yuval Harari stellte noch 2015 fest, dass das Zeitalter der Massen vorbei sei: Die Menschen werden zu atomisierten Subjekten. Für Bernard Stiegler, der auf die Herdenbildung des Verhaltens verweist, ist der Triumph des Individuums jedoch illusorisch. Sind wir Zeugi:nnen der Rückkehr der Massen? Denken wir an die Alt-Right und die massenhafte Manipulation von Facebook-Nutzer:innen bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016: das Digitale als via regia für die Rückkehr von Faschismus und Nazismus? Was zu beobachten war: Das Digitale individualisiert... um uns zu vereinnahmen. Hier kehren wohl die (obszönen) Vaterfiguren zurück. Die Psychoanalyse als ideales Werkzeug, um all dies zu verstehen? Ja, aber nur, wenn ihre Wahrheiten den Lügen der individualisierenden Mainstream-Psychologie gegengestellt werden. Deren illusorische Vorstellungen vom Menschen werden schließlich dazu benutzt, Individuen algorithmisch zu formen und zu steuern. Die Psychoanalyse ist weder eine Individualpsychologie noch eine Sozialpsychologie, sondern eine Massenpsychologie, die letztlich die Subjektwerdung durch die Gruppe als etwas vorsieht, das sich dem Algorithmus widersetzt.

 

Jan De Vos hat einen MA in Psychologie und einen PhD in Philosophie. Derzeit ist er an der Universität Gent und dem University College Ghent (Belgien) tätig. Sein Hauptinteresse gilt der Kritik der (Neuro-)Psychologie, der (Neuro-)Psychologisierung und, damit zusammenhängend, dem Thema der digitalen Wende. Inspiration findet er in der kontinentalen Philosophie, der Freudo-Lacanianische Theorie und der Ideologiekritik. Publikationen: The Digitalisation of (Inter)Subjectivity. A Psy-critique of the Digital Death Drive (2020), The Metamorphoses of the Brain. Neurologisation and its Discontents (2016) Psychologisation in Times of Globalisation (2012). http://janrdevos.weebly.co

Giuseppina Antinucci: Die Krise der Repräsentation: Das Schicksal der Identifizierung

(Vortrag auf Englisch)

Freuds Massenpsychologie untersucht Identifizierungen und positioniert damit das Subjekt an der Schwelle zur Geschichte, jenem potenziellen Zwischenraum, in dem sich die Arbeit an der Identität durch ein Zusammenwirken von intrapsychischen, interpersonellen und transpersonalen Beziehungsschwankungen vollzieht. In unserer zeitgenössischen hypermodernen, von der Technologie geprägten Kultur erleben wir eine Krise der Repräsentation, in der –  dabei an Anders' prometheische Disjunktion erinnernd – das operative Funktionieren von Geräten als Lösung für die Trauerarbeit angeboten wird und den Raum für Imagination und Denken verschließt. Wenn das Subjekt Geräte als evokative Objekte einsetzt, um allmächtige Wünsche und Phantasien zu artikulieren, schafft es eine Parallelwelt, die eine illusorische prothetische Vollständigkeit unterstützt, indem es die Arbeit des Verzichts, auf der die Identität beruht, umgeht. Eine Vignette veranschaulicht das Dilemma eines jungen Erwachsenen, der die Arbeit der psychischen Strukturierung in einer digitalen Welt durchläuft.

 

Giuseppina Antinucci ist Fellow der BPAS und Vollmitglied der IPA. Sie absolvierte ihre Ausbildung und arbeitete viele Jahre lang in London, sowohl in privater Praxis als auch in institutionellen Einrichtungen. Sie arbeitete 10 Jahre lang am Anna Freud Centre, wo sie Eltern-Kleinkind-Gruppen leitete, die Teil des Vorschul-Familiendienstes waren. Gleichzeitig unterrichtete sie psychoanalytische Entwicklungstheorien am University College London, auch war sie als Beraterin in der London Clinic of Psychoanalysis tätig. Zurzeit lebt sie in Mailand, wo sie mit Erwachsenen arbeitet. Sie arbeitet auch aus der Ferne mit Patient:innen und lehrt und supervidiert in Großbritannien, China und den USA. Sie ist Mitglied der Redaktionsausschüsse des International Journal of Psychoanalysis und der Psychoanalytic Quarterly. Sie hat mehrere Artikel im IJP sowie Buchkapitel veröffentlicht, darunter When the body speaks, Routledge 2021, und Psychoanalysis, Identity, and Internet, Karnac 2016.

Responder/Moderation: Gail Newman

Gail Newman ist Harold J Henry Professorin für Germanistik und Komparatistik am Williams College in Williamstown, Massachusetts USA. Ihre Forschung dreht sich um Fragen der Subjektivität im Kontext von Narrativ und Sprache, insbesondere deren Beziehung zum Unverständlichen und zum Trauma, mithilfe der psychoanalytischen Theorien von Freud, Lacan, Winnicott und Ferenczi. In letzter Zeit hat sie Artikel über die Ästhetik der Katastrophe bei Kleist, die Narration vom Schweigen und von der Geschichte bei Gerhard Roth und die „Sprachverwirrung“ in Ingeborg Bachmanns Erzählung „Simultan“. Sie arbeitet gerade, zusammen mit Co-Autorin Mari Ruti, an einem Buch mit dem Arbeitstitel The Creative Self: A Psychoanalytic Alternative to Neoliberal Self-Optimization.

Earl Hopper: Das soziale Unbewusste, traumatische Erfahrungen und das Studium der sozialen Systeme: Der Borromäische Knoten und das Mobiusband der dreiteiligen Matrix der sozialen Systeme

(Vortrag auf Englisch)

Die Wiedereröffnung des Sigmund Freud Museums fällt in etwa mit dem hundertjährigen Jubiläum der Veröffentlichung von Gruppenpsychologie und Ich-Analyse zusammen. Freuds Aufsatz ist typisch generativ, aber untypisch mehrdeutig, insbesondere in seiner englischen Übersetzung, und hat als solcher die Karrieren mehrerer Soziolog:innen, Sozialpsycholog:innen, Psychoanalytiker:innen und Gruppenanalytiker:innen begründet. Die Hauptaussage von Freuds Argumentation, die leider auch auf unsere gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Verhältnisse zutrifft, besteht darin, dass ein soziales Trauma zu persönlichem Schmerz und persönlicher Regression führt, die sich in sozialer Regression manifestieren, was wiederum zu weiterem persönlichen Schmerz und Trauma führen kann, und zwar rekursiv. Bei unserer Arbeit müssen wir uns immer den Borromäischen Knoten der dreiteiligen Matrix aller sozialen Systeme vor Augen halten, einschließlich der Grundmatrix der kontextuellen Gesellschaft, der dynamischen Matrizen der sie konstituierenden Gruppierungen und der persönlichen Matrizen der an ihnen Beteiligten, sowie den Möbius-Streifen der Ko-Kreation der äußeren Welt und ihrer Verinnerlichung, der im Sinne einer kontinuierlichen dialektischen Spirale verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang werde ich das Konzept des sozialen Unbewussten erläutern und erklären, warum es die Untersuchung sowohl von Traumata als auch von sozialen Formationen, von denen einige „Gruppen“ sind, beinhaltet, was zu meiner Theorie der Inkohäsion geführt hat: Aggregation/Massierung als vierte Grundannahme für das unbewusste Leben von Gruppen und gruppenähnlichen sozialen Systemen.

 

Earl Hopper, Ph.D., ist Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker und Organisationsberater in privater Praxis in London. Er ist Fellow der British Psychoanalytical Society, Ehrenmitglied des Institute of Group Analysis, Ehrenmitglied der Group Analytic Society International und Distinguished Fellow der American Group Psychotherapy Association. Er ist ehemaliger Präsident der Internationalen Vereinigung für Gruppenpsychotherapie und Gruppenprozesse (IAGP) und ehemaliger Vorsitzender der Vereinigung unabhängiger Psychoanalytiker der Britischen Psychoanalytischen Gesellschaft. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Artikel in den Bereichen Psychoanalyse, Soziologie und Gruppenanalyse. Außerdem ist er der Herausgeber von The New International Library of Group Analysis.

Lene Auestad: Affekte, Gruppen und Illusionen – Freuds Aufsatz als Vorahnung des Faschismus

(Vortrag auf Englisch)

Als Freud seinen Aufsatz zur Massenpsychologie schrieb, war der Erste Weltkrieg im Herbst 1918 gerade zu Ende gegangen. Im Jahr 1919 folgte der Versailler Vertrag, und 1920 wurde die österreichische Republik ausgerufen. In Deutschland begann Hitler, die SA, die Sturmabteilung, einzusetzen, und Mussolini sammelte die Fasci di Combattimento, die Kampfbünde, die dem Faschismus ihren Namen gaben. Freuds Aufsatz ist ein Vorbote des Wachstums der faschistischen Bewegungen in Europa, denn er liefert einige Schlüsselkonzepte, die es uns ermöglichen, die potenziell zerstörerische Dynamik der Massen und der Bindungen zwischen uns zu verstehen. Etwas mehr als 100 Jahre nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1921, anlässlich der Wiedereröffnung des Sigmund Freud Museums in Wien, befinden wir uns in einer neuen Krise – in der Folge einer Pandemie, eines Krieges in Europa und faschistischer Bewegungen und Parteien, die in mehreren europäischen Ländern und darüber hinaus an Stärke gewonnen haben. Freuds Beschreibungen sind wieder einmal hochaktuell. Ich werde argumentieren, dass die vorherrschende Denkweise in unserem späten neoliberalen Zeitalter das ist, was John Rickman als Ein-Personen-Psychologie bezeichnen würde, wir aber in der Lage sein müssen, vom Standpunkt von Gruppierungen aus zu denken, von der Komplexität der affektiven Bindungen und Identifizierungen zwischen und innerhalb von uns, um die beängstigende Welt, in der wir leben, zu verstehen.

 

Lene Auestad hat am Ethikprogramm der Universität Oslo in Philosophie promoviert. Sie schreibt und hält international Vorträge über Ethik, kritische Theorie und Psychoanalyse, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Vorurteilen, Rassismus, Diskriminierung, Trauma und Nationalismus. Zu ihren Büchern gehören Respect, Plurality, and Prejudice: A Psychoanalytical and Philosophical Enquiry into the Dynamics of Social Exclusion and Discrimination (Karnac/Routledge 2015). 2010 gründete sie die internationale und interdisziplinäre Konferenzreihe Psychoanalysis and Politics (www.psa-pol.org), die sich mit der Frage beschäftigt, wie wichtige zeitgenössische politische Themen durch psychoanalytische Theorie fruchtbar analysiert werden können und umgekehrt politische Phänomene auf psychoanalytisches Denken zurückwirken können. Die Reihe wird bis heute fortgesetzt, mit jährlichen Konferenzen in verschiedenen europäischen Ländern. Sie ist assoziiertes Mitglied der Norwegischen Psychoanalytischen Gesellschaft.

Responder/Moderation: Wolfgang Martin Roth

Wolfgang Martin Roth lebt als freier Schriftsteller, Psychotherapeut und Gruppenanalytiker in Wien und Fréjus, Südfrankreich. Er ist Lehr-Gruppenanalytiker in Deutschland, Österreich, der Ukraine und Gründungs-Herausgeber des Österreichischen Jahrbuchs für Gruppenanalyse (2007-2015). Neben zahlreichen gruppenanalytischen Fachpublikationen veröffentlichte er u.a. die Erzählung Die Neinstimme von Altaussee, Wien 2019, Sonderzahl Verlag. Seine Hörspiele wurden in Deutschland und im ORF gesendet, 2008 wurde er mit dem 1. Preis der Zonser Hörspieltage ausgezeichnet. Zuletzt erschienen: In der Nähe ihres Ringfingers. Pariser Fragmente. Gedichte, Wien 2022, Löcker-Verlag. Er ist Mitglied im deutschen und österreichischen und P.E.N. und war für den Letzteren von 2015 bis 2020 Beauftragter für Writers in Prison und berief drei Mal unter dem Ehrenschutz des Wiener Bürgermeisters die Wiener Internationale Strategische Konferenz zur Lage der Menschenrechte in Eritrea ein.

Francisco J. González: Das Problem mit uns: Auf dem Weg zu einer transmuralen Psychoanalyse

(Vortrag auf Englisch)

Wenn für Freud der privilegierte Ort der Psychoanalyse der hysterische Körper war, so sind die Grenzen der heutigen Krankheiten die Wechselfälle der Beziehung zur Gruppe. Das Rätsel der Zugehörigkeit beunruhigt uns; es ist das Problem mit „uns“. Auf der Grundlage der psychoanalytischen Gruppentheorie, der klinischen Erfahrung und der kritischen Theorie wird in diesem Vortrag die Vorstellung einer doppelten Herkunft des Unbewussten entwickelt, wobei der soziale Bereich als ein Bereich betrachtet wird, der in Bezug auf die Frage der Subjektivität dem persönlichen Bereich gleichgestellt ist. Diese Sichtweise ermöglicht es uns, kollektive Aspekte der individuellen Subjektivität und die subjektiven Aspekte kollektiver Ensembles zu problematisieren. Zugehörigkeit wird hier als ein unlösbares Problem gesehen, das das Ich mit zentrifugalen Kräften belastet und seine Kohärenz bedroht. Sowohl Individuen als auch Gruppen können als Reaktion auf diese Bedrohung zu Gewalt greifen.

Wir Psychoanalytiker:innen müssen also das Behandlungszimmer selbst als einen Ort „klinischen“ Handelns betrachten und seine Grenzen problematisieren, um aus dem Elfenbeinturm herauszukommen und zu einer transmuralen Psychoanalyse mit Relevanz für das 21 Jahrhundert zu gelangen.

 

Francisco J. González, MD, ist Personal & Supervising Analyst, Community Psychoanalysis Supervising Analyst und Dozent am Psychoanalytic Institute of Northern California (PINC), wo er auch den Community Psychoanalysis Track mitbegründet hat und als Co-Direktor fungiert. Er ist Mitglied des Lehrkörpers des NYU Postdoctoral Program in Psychoanalysis und Supervising Analyst am Massachusetts Institute for Psychoanalysis. Seine Lehrtätigkeit und seine Schriften konzentrieren sich auf die Artikulation des Sozialen innerhalb des individuellen und kollektiven psychischen Lebens, einschließlich der Bereiche Geschlecht, Sexualität, rassische Differenz, Immigration, Film und Gruppen. Er wurde mit dem Symonds Award, dem Ralph E. Roughton Paper Award und dem JAPA Award for the Best Published Paper 2019 ausgezeichnet. Er ist Mitglied der Redaktionsausschüsse von Psychoanalytic Dialogues, JAPA und Studies in Gender and Sexuality sowie Mitglied der Holmes Commission on Racial Equality der American Psychoanalytic Association. Er praktiziert privat in San Francisco und Oakland und im öffentlichen Bereich am Instituto Familiar de la Raza in San Francisco.

Ranjanna Khanna: Massensterben

Ich werde die Gruppen-/Massenpsychologie durch Tod und Trauer ansprechen. Freuds Aufsatz „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ geht der Frage nach, wie die Erfahrung des Massensterbens das Verständnis des individuellen Todes verschiebt und umgekehrt. Als primitive Beziehung zwischen geliebten Menschen und feindlichen Kämpfern (von Identifikationen und Besetzungen) gedacht, erfolgt die grundlegende Unterscheidung zwischen Leben und Tod durch die Erfahrung, neben dem Leichnam zu sein. Die Enttäuschung angesichts der Leichensäcke stört die Beziehungen zwischen den Brüdern. Indem ich die Freund-Feind-Unterscheidung in Totem und Tabu weiter ausführe, werde ich mich mit impliziten Begriffen des Politischen befassen, wie sie sich in Bezug auf Trauer und die Gruppe entfalten. Indem ich das Schreiben vom Krieg auf die Pandemie ausdehne, werde ich auch die Perversität von Freundschaftslinien und nationalen Grenzen in Bezug auf globale Probleme (wie ein grassierendes Virus oder eine Klimakrise) durch Gruppenidentifizierung und die Frage der individuellen Handlungsfähigkeit in Bezug auf das Massensterben betrachten. (Ranjanna Khanna)

 

Ranjana Khanna ist Direktorin des John Hope Franklin Humanities Institute und Professorin für Englisch, GSF (Graduate Studies Committee) und das Literaturprogramm an der Duke University. Sie arbeitet zu anglo- und frankophoner postkolonialer Theorie und Literatur sowie über Film, Psychoanalyse und feministischer Theorie. Sie hat zahlreiche Publikationen über transnationalen Feminismus, Psychoanalyse, postkoloniale und feministische Theorie, Literatur und Film veröffentlicht. Sie ist die Autorin von Dark Continents: Psychoanalysis and Colonialism (Duke University Press, 2003) und Algeria Cuts: Women and Representation 1830 to the present (Stanford University Press, 2008). Sie hat in Fachzeitschriften wie Differences, Signs, Third Text, Diacritics, Screen, Art History, positions, SAQ, Feminist Theory und Public Culture veröffentlicht. In Bälde erscheinen: Asylum: The Concept und The Practice and Technologies of Unbelonging. Derzeit ist sie zweite Vizepräsidentin der American Comparative Literature Association (ACLA).

Responder/Moderation: Ricardo Ainslie

Ricardo Ainslie hat die M.K. Hage Centennial Professorship in Education an der University of Texas at Austin in der Abteilung für Bildungspsychologie inne, ist Direktor für Forschung und Bildung für AMPATH Mexico an der Dell Medical School und Direktor des LLILAS Benson Mexico Center an der University of Texas at Austin. Er publiziert regelmäßig in wissenschaftlichen Zeitschriften, zu seinen Monographien zählen The Fight to Save Juárez: Life in the Heart of Mexico's Drug War (University of Texas Press, 2013) und Long Dark Road: The story of Bill King and Murder in Jasper, Texas (University of Texas Press, 2004). Als Fulbright-Freud Visiting Scholar des Jahres 2022 arbeitet er an einem Buchmanuskript mit dem Titel "City and Psyche"