Zeitgemäßes über Gruppen und Massen

Konferenz auf Englisch und Deutsch mit Ricardo Ainslie, Giuseppina Antinucci, Lene Auestad, Helmut Dahmer, Francisco J. González, Earl Hopper, Ranjanna Khanna, Sama Maani, Ulrike May, Gail Newman, Wolfgang Martin Roth und Jan de Vos

 

Freitag, 10. Juni 2022, 17:00 bis 19:30 Uhr, und
Samstag, 11. Juni 2022, 10:00 bis 19:00 Uhr


Bibliothek der Psychoanalyse im Sigmund Freud Museum und via Zoom

 

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Im Gedenken an Sophie Freud

 

PROGRAMM

(Für Abstracts und Biografien klicken Sie bitte auf die jeweiligen Titel.)

 

Freitag, 10. Juni (auf Deutsch)

 

17:00 – 17:30 Uhr, Begrüßung: Monika Pessler, Einführung: Jeanne Wolff Bernstein und Daniela Finzi

 

17:30 – 19:30 Uhr, Panel 1: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921)

Ulrike May (Berlin): Sexualtriebe, Eros, Identifizierung – Re-Lecture von Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921)

Sama Maani (Wien): Kunst, Identität und die Psychologie der Massen in der Digitalmoderne

Moderation: Helmut Dahmer (Wien)

 

Samstag, 11. Juni (auf Englisch)

 

10:00 – 12:00 Uhr, Panel 2: Dynamics of Mass Media: Identification and Digitalization

Jan de Vos (Gent): The Truths of Psychoanalysis: Defying the Lies of Psychology that Fuel the Amassing of Individuals

Giuseppina Antinucci (Mailand): Crisis of Representation: Destiny of Identification

Moderation: Gail Newman (Wien)

 

14:00 – 16:00 Uhr, Panel 3: Politics I: The Social Unconscious Today

Earl Hopper (London, zugeschaltet via Zoom): The Social Unconscious, Traumatic Experience, and the Study of Social Systems: The Borromean Knot and the Mobius Strip of the Tripartite Matrix of Social Systems

Lene Auestad (Oslo): Affects, Groups, and Illusions – Freud's Essay as Foreshadowing Fascism

Moderation: Wolfgang Martin Roth (Wien)

 

17:00 – 19:00 Uhr, Panel 4: Politics II: Identity-based Violence

Francisco J. González (San Francisco): The Trouble with Us: Towards a Trans-Mural Psychoanalysis

Ranjanna Khanna (Durham): Mass Death

Moderation: Ricardo Ainslie (Wien)

 

ÜBER DIE KONFERENZ

 

Vor 101 Jahre veröffentlichte Sigmund Freud seine Schrift Massenpsychologie und Ich-Analyse, die den Fokus der internationalen Jahreskonferenz „Zeitgemäßes über Gruppen und Massen im Sigmund Freud Museum bildet. Freuds erste Ideen zu seiner Schrift, in der die Sozial- bzw. Massenpsychologie im Zentrum steht, reichen bis ins Frühjahr 1919 zurück: in eine Zeit, die vom Ende des Ersten Weltkrieges und der Ausrufung der Ersten Republik Österreichs gekennzeichnet war. Die politischen Umbrüche sowie wirtschaftliche Not führten zu Unruhen in der Bevölkerung und zahlreichen Massenstreiks. Im Unterschied zu den beschreibenden, dabei stark ressentimentbehafteten Werken seiner Vorgänger Gustave Le Bon (Psychologie der Masse, 1895) und William McDougall (The Group Mind, 1920) zeichnet sich Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse durch einen analytischen Blick auf den Wandel des Individuum zu einem Massenwesen aus: Was definiert die „Masse“, was hält sie zusammen, welche Art der Befriedigung kann ein In-der-Masse-Aufgehen verschaffen , welche unbewussten Mechanismen und psychischen Phänomene sind am Werk, wenn sich eine Vielzahl von Einzelnen einem „Führer“ unterwirft?

Noch heute bedürfen die Massenindividuen der Vorspiegelung, daß sie in gleicher Weise vom Führer geliebt werden, aber der Führer selbst braucht niemanden anderen zu lieben, er darf von Herrennatur sein, absolut narzißtisch, aber selbstsicher und selbstständig. (Freud 1921, 138)

Heute leben wir in einer Welt, die von zahlreichen einander überlagernder Krisen geprägt ist: Klimawandel und Pandemie, Fluchtmigration, Terrorismus, Kriege und das Erstarken autoritärer Strukturen gehen mit einem massiven Medienwandel, einem digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit sowie einem beunruhigenden Verfall demokratischer Werte und dem Schwinden von lange für selbstverständlich gehaltenen Sicherheiten einher. Die Bürger:innen der westlichen Demokratien ebenso wie ihre Institutionen scheinen im Zuge dieses gesellschaftlichen Wandels einen individualisierten Freiheitsbegriff zu verinnerlichen, der die Artikulation des gesellschaftlichen Allgemeinwohls hinter die Erfüllung von Einzelinteressen reiht.

Vor dem Hintergrund dieser Bestrebungen zu Individualisierung, Privatisierung und Partikularisierung zeichnet sich zudem eine starke Zunahme von Massen- und Gruppenbewegungen ab. Deren Anhänger:innen können einem homogenen, zumeist – wie im Falle von QAnon – rechtsextremen Milieu entspringen. Ihren Führungsfiguren folgen sie zumeist bedingungslos: in popkulturellen Zusammenhängen ist von „stans“ (eine Zusammensetzung von „stalkers“ und „fans“) die Rede. Andere Male – wie bei der Querdenker-Bewegung – weisen diese Gemeinschaften große weltanschauliche Heterogenität auf: „Bei den Massen können die entgegengesetztesten Ideen nebeneinander bestehen und sich miteinander vertragen, ohne dass sich aus deren logischem Widerspruch ein Konflikt ergäbe.“ (Freud 1921, 84).

Im Rückgriff auf seine früheren Texte Totem und Tabu (1912) und Zur Einführung des Narzissmus (1914) beschreibt Freud die erotischen Besetzungen, die der Idealisierung einer starken Vaterfigur unterliegen, und die gleichzeitig zu einer Identifikation mit dem verlorenen inneren Ich-Ideal führen. Tatsächlich lassen sich bei den heutigen Massen- und Gruppenbildungen psychische Prozesse und Mechanismen (wieder)erkennen, wie sie von Freud bereits 1920 beschrieben wurden: Verführbarkeit, Hypnotisierung, Regression, Idealisierung, Identifizierung und Verschmelzung mit dem Anderen. Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse bietet den Rahmen dieser Konferenz, die den gegenwärtigen Gruppen- und Massenphänomene in der realen wie auch virtuellen Welt nachgeht, ihre zahlreichen Verschränkungen aus psychoanalytischer und interdisziplinärer Perspektive reflektiert und zur Diskussion stellt.

 

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