Die Psychoanalyse – ein gelobtes Land? Die Geschichte der Rezeption der Psychoanalyse in Polen im 20. Jahrhundert

Vortrag von Paweł Dybel

Moderation: Nestor Kapusta

 

Freitag, 12. Mai 2023 um 19 Uhr

Bibliothek der Psychoanalyse im Sigmund Freud Museum und via Zoom

 

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Im Zentrum des Vortrags steht die Geschichte der psychoanalytischen Bewegung in Polen von 1900 bis 1997 unter besonderer Hervorhebung der Rolle der jüdischen Psychoanalytiker:innen. Bereits in den 1900er-Jahren beginnt innerhalb der Ärzteschaft die Rezeption im damaligen Galizien. Pioniere der Bewegung sind Ludwig Jekels und Herman Nunberg, die jedoch beide bald nach Wien ziehen und sich Freuds Kreis anschließen. Zahlreiche polnische Jüdinnen wie Helene Deutsch und Eugenia Sokolnicka gehen ebenfalls ins Exil und leisten dort wichtige psychoanalytische Beiträge. Nach der Unabhängigkeit Polens 1918 befinden sich nur mehr wenige an der Psychoanalyse Interessierte im Land. In der Zwischenkriegszeit praktizieren mehrere Ärzte der jüngeren Generation wie Gustav Bychowski, Maurice Bornsztajn, Władysław Matecki, Roman Markuszewicz die Psychoanalyse als Therapiemethode. Auch setzt nun die Rezeption in anderen Disziplinen wie Pädagogik und Literaturwissenschaft ein. Mit dem Ausbruch des Krieges 1939 kommt es zu einer totalen Zerstörung der psychoanalytischen Bewegung in Polen. Von den im Land verbliebenen jüdischen Analytiker:innen überlebt kaum jemand die Ghettos und Konzentrationslager. Nach dem Krieg wird die Psychoanalyse vom kommunistischen Regime als „bürgerliche Wissenschaft“ bekämpft. Erst nach der demokratischen Wende 1989 kann die psychoanalytische Bewegung wiederaufgebaut werden. Heute zählt die 1997 gegründete Polnische Psychoanalytische Gesellschaft (PTPa) 82 Analytiker:innen und 40 Kandidat:innen.

 

Paweł Dybel ist Professor am Institut für Philosophie und Soziologie PAN in Warschau. Seine Hauptinteressen sind moderne Philosophie, psychoanalytische Theorien, Literatur- und Kunsttheorie sowie die Geschichte der Psychoanalyse in Polen. Er ist Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung, der Thyssen Stiftung, des DAAD, der DFG, der Mellon Foundation u.a. Er war Gastprofessor u.a. an der Humboldt Universität, der Universität Würzburg, der University at Buffalo und dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Seit 2020 ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main.

Nestor Kapusta ist assoziierter Professor an der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien, wo er die Ambulanz für Psychoanalytische Paartherapie leitet. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Lehr- und Kontrollanalytiker (Individualpsychologie) und TFP-Therapeut. Seine Forschungsinteressen bewegen sich im Bereich der Geschichte der Psychoanalyse und Individualpsychologie und auf dem Spektrum zwischen Liebesfähigkeit und den Schicksalen des Aggressionstriebs in dyadischen Beziehungen.

 

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