Freud, Berggasse 19
In Freuds Wohn- und Ordinationsräumen präsentiert das Museum Leben und Werk von Sigmund und Anna Freud sowie biografische Details zur Familiengeschichte. Die original erhaltenen Raumstrukturen ermöglichen ein authentisches Erleben des Ursprungsorts der Psychoanalyse. Zahlreiche Exponate – Objekte aus Familienbesitz, originale Schriften und Fotografien – beleuchten die beruflichen Stationen und biografischen Facetten von Freuds Leben und Familienalltag.
Sigmund Freuds Ordination
Spannende Einblicke in die Genese von Freuds theoretischem Werk liefern seltene Erstausgaben und wertvolle Widmungsexemplare in Freuds Ordination. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen bezeugen die frühe internationale Verbreitung der Psychoanalyse. In Freuds Behandlungsraum wird die Praxis der Psychoanalyse als „Talking Cure“ anhand von Fallgeschichten und Schriften thematisiert. Jene Stelle, an der einst die berühmte Couch stand, bleibt leer: Auf eine Rekonstruktion des ursprünglichen Interieurs wurde bewusst verzichtet, wie Direktorin Monika Pessler erläutert: „Die Leerstelle, die in Freuds Behandlungsraum seit seiner Flucht vor den Nationalsozialisten zurückblieb, trägt den Verweis auf den dunklen Verlauf der Geschichte deutlich in sich. In diesen Räumen eine Welt von gestern (Stefan Zweig) – also jene vor dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 – nachzubilden, als ob es Freuds erzwungene Flucht ins Londoner Exil nicht gegeben hätte, würde einen wesentlichen Teil seiner Geschichte und damit auch der unsrigen verleugnen.“
Die Geschichte der abwesenden Couch wird in einer AR-Installation, die vor Ort im Behandlungszimmer abrufbar ist, aufgegriffen. Dabei kehrt das Möbel als 3D-Abbild am Smartphone der Gäste virtuell und nur vorübergehend an seinen ursprünglichen Ort zurück.
Ausgewählte Fotografien, die Edmund Engelman im Mai 1938 trotz Observierung durch die Gestapo mutig und mit technischem Geschick von den Räumen der Berggasse 19 fertigte, geben Aufschluss über die originale Einrichtung der Räumlichkeiten vor der Flucht der Familie Freud 1938.
Anna Freuds Räume
Anna Freuds Wohn- und Ordinationsräume sind ihrem innovativen Wirken auf den Gebieten der Psychoanalyse und Pädagogik gewidmet. Persönliche Gegenstände und Arbeitsmittel illustrieren ihr Werk, das sie gemeinsam mit ihrer Partnerin Dorothy Burlingham sowohl in Wien als auch nach ihrer Flucht in London leistete. Anna Freud unterstützte die Museumsgründung Anfang der 1970er Jahre und stiftete damals unter anderem die Einrichtung des Wartezimmers, das sich heute so präsentiert wie zu Freuds Zeiten.
Die Wohnung der Familie Freud
Die Privaträume der Familie sind Freuds Leben als Familienvater und seinem Werdegang als junger Arzt und Neurologe gewidmet. Objekte wie frühe Krankenhausdokumente und medizinische Instrumente zeugen von seiner Zeit als angehender Mediziner, sein Reisenecessaire, Geschenke an seine Ehefrau Martha und weitere persönliche Gegenstände geben Auskunft über das Familienleben und „setzen Vorstellungen, Assoziationen und Erzählungen in Gang“, beschreibt Daniela Finzi, wissenschaftliche Leiterin des Museums. Hier werden Schriftstücke und Handschriften aus dem Familienbesitz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Traumdeutung steht im Zentrum des ehemaligen Schlafzimmers des Ehepaares Freud. Hörstationen ermöglichen vor Ort eine Begegnung mit Sigmund Freuds Träumen, gelesen von Birgit Minichmayr und Philippe Sands. Einen besonderen Einblick in das Familienleben und den Alltag der Freuds geben die einzigartigen Home Videos, die von Anna Freud kommentiert werden. Sie wurden in den 1930er Jahren – vornehmlich von Marie Bonaparte, einer engen Freundin der Familie – aufgenommen und werden in der ehemaligen Teeküche gezeigt.
Die Räume, die vormals geselligen Zusammenkünften vorbehalten waren – das Esszimmer der Freuds und der Salon Minna Bernays‘ – werden heute für Wechselausstellungen genutzt: von künstlerischen bis hin zu kulturhistorischen Aufarbeitungen und Betrachtungen.
Konzeption und Gestaltung: Atelier Czech/Hermann Czech und Gerhard Flora
Kuratorinnen: Sigmund Freud Museum/Monika Pessler und Daniela Finzi
Ausstellungsassistenz: Johanna Frei und Nora Haas
Beratung Druckwerke: Arkadi Blatow
Leihgeber:innen: Bibliothèque Charcot, Arkadi Blatow, Freud Museum London, Matthew Freud, Österreichische Nationalbibliothek, Wiener Psychoanalytische Vereinigung, Familie Toncar
Redaktion Ausstellungstexte: Hermann Czech, Daniela Finzi, Gerhard Flora, Johanna Frei und Monika Pessler
Übersetzungen: Elise Feiersinger (Wandtexte) und Brita Pohl (Vitrinentexte)
Deutsches Lektorat: Eva Fröhlich
Englisches Lektorat: Maria Slater
Grafik Wandtexte: Michael Neubacher
Grafik Vitrinen: Martha Stutteregger
Restauratorische Wand- und Deckenbefundungen: Claudia Riff und Fabia Podgorschek
Buchrestaurierung: Mirjam Bazán Castaneda
Möbelrestaurierung: Gerald Ratheyser
Fotorestaurierung: Andreas Gruber
Vitrinenbau: ARTEX Museum Services
Lichtmanagement: Zumtobel Licht AG
Einbauten: Stefan Flunger