Freud, Gewalt und Gesetz

Freud: “So scheint es also, daß der Versuch, reale Macht durch die Macht der Ideen zu ersetzen, heute noch zum Fehlschlagen verurteilt ist. Es ist ein Fehler in der Rechnung, wenn man nicht berücksichtigt, daß Recht ursprünglich rohe Gewalt war und noch heute der Stützung durch die Gewalt nicht entbehren kann.“[1]. Diese Sätze erinnern mich an die Erstürmung des US-Kapitols durch Trump-Unterstützer am 6. Januar 2021: ein Augenblick, in dem der Rechtsstaat fast zusammengebrochen wäre, als Gewalt in eben dem Gebäude ausbrach, in dem das Recht festgelegt werden sollte. Der seltene Fall, dass die Gewalt sich gegen die Institution des Rechts richtete.

Rubén Gallo ist Walter S. Carpenter Jr. Professor für Lateinamerikanische Literatur an der Princeton University, wo er seit 2002 lehrt. Er ist Autor zahlreicher Bücher über die Kultur des zwanzigsten Jahrhunderts, darunter Mexican Modernity: The Avant-Garde and the Cultural Revolution (2006, MIT Press, Gewinner des Katherine Singer Kovacs Prize der MLA), Freud's Mexico: Into the Wilds of Psychoanalysis (2010, MIT, Gewinner des Gradiva-Preises), Proust's Latin Americans (2014, Hopkins). Er ist auch Romanautor und hat zwei Bücher über Kuba veröffentlicht: Teoría y práctica de la Habana (2017) und Muerte en La Habana (2021). Seine Werke wurden ins Französische, Spanische, Italienische, Japanische und Chinesische übersetzt. 2020 wurde er in den Vorstand der American Academy of Arts and Sciences gewählt.

[1] Sigmund Freud (1931/32), Warum Krieg?, in: Gesammelte Werke, Bd. 16, S. 19-20.